Die Leere Indiens

Masterarbeit SoSe 2019 | Tina Pal

Eine Reise durch den Norden Indiens, eines der bevölkerungsreichsten und dicht bebautesten Ländern der Welt und einer Dialektik des Leerstandes, brachte mich dazu, mich mit dem weltweiten Problem der Bevölkerungszunahme, Flächenausdehnung und Ressourcenknappheit zu befassen. Diese rufen eine unstrukturierte Bevölkerung mit assymmetrischen und unvorhersehbaren Verlauf hervor.

Die leerstehenden Häuser Indiens machen rund 12% des städtischen Wohnungsbestandes aus. Dabei ist das Phänomen Leerstand nicht transparent genug. Bebaute, ungenutzte Flächen wie Baulücken, -stopps, Investitionsruinen, Zerfälle wurden nicht berücksichtigt. Diverse Gründe, allen voran die Urbanisierung und Verstädterung, aber auch die Immobilienwirtschaft und das mangelnde Verständnis der Politik, erhöhen dabei die Anzahl des Leerstandes.

Mein Projekt setzt genau da an, wo die Urbanisierung eine ihrer größten Auswirkungen erlebt. Die umliegenden Gebiete, die einer Abschwächung des sozioökonomischen Gebildes ausgeliefert sind, entwickeln sich zu unklaren Räumen, die die gültige Dichotomie von Zentrum und Peripherie aufheben lässt.
Das Dorf Huka, unweit der Millionenstadt Ahmedabad, wurde noch nicht vom urbanen Gewebe (Henri Lefebvre) verschlungen, aber könnte bei unverändertem Verlauf bald eingenommen werden. Mein Projekt kann somit als Rettung der übergebliebenen Landstrukturen durch Förderung der inneren Kräfte wie der Gemeinschaft, dem Gemeinwohl, der Ökonomie bis hin zur Autonomie gesehen werden und als Gegenentwurf zu dem fatalen globalen, politischen Streben, die Urbanisierung mit rationalisierten und homogenisierten Stadt-Land-Erweiterungen zu verunreinigen.

Der Lageplan stellt den Leerstand im Dorf Huka dar, der sich hauptsächlich im peripheren Bereich befindet: von der Natur eingenommene Häuser, Rückstände usw. Die Interventionen setzen auch genau da an, um die Peripherie zu stärken.
Das erste Projekt ist ein Bestandsgebäude, welches auf die Mauerrückstände aus Backstein aufbaut. Alte, nicht mehr verwendbare Backsteine werden klein geschlagen, pulverisiert, neu angemischt, zu neuer Form erstellt und als Stampflehm wiederverwendet. Die Nutzung beschränkt sich auf einen offenen Arbeitsbereich + Werkstatt, die normalerweise häuslich vergütete Tätigkeiten wie Gurte und Körbe flechten, Zimmererarbeiten usw. Raum bieten und gegenseitige Unterstützung ermöglichen. Die Räumlichkeiten dienen dazu, die ortsansässigen Manufakturen und regionalen Strukturen zu stärken. Dieses Projekt ist thermisch abgeschlossen und als Flachdach ausgebildet. Es nimmt vernakuläre Bauweisen auf, die an neuartige Konditionen angepasst und erweitert werden.
Das zweite Projekt gilt als Neubau aus ebenfalls wiederverwendeten Backsteinen als Stampflehm mit innenliegenden Ziegelleisten als Erosionsschutz. Die Gebäudekomponente ergeben einen Wertstoffhof mit Lager- und Anwendungsfläche mit angrenzendem Café als sozialen Treffpunkt. Durch den sichtbare Um- gang von Abriss- und Umbaumaterialien wird das Bewusstsein der Bewohner hinsichtlich Ressourcen und Leerstand gestärkt. Dieser Ort dient zum Austausch, um die Vielfalt der vorhandenen Lösungen zu bewahren und zu informieren, welche Möglichkeiten die Kombination von traditionellem Wissen und zeitgenössischen Anwendungen bietet. Die Bauweise entstammt der lokalspezifischen Baukultur und ist als verschattetes, hinterlüftetes Gebäude realisiert.

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