Architektur und Täuschung

Entwurf IRGE WS19/20
 
Im 15 Jhrd. errichtete der italienische Baumeister Donato Bramante in Mailand eine kleine Marienkapelle, die als Meisterwerk der Renaissance gilt: Santa Maria presso San Satiro. Das Ungewöhnliche dieses Bauwerks ist eine Anomalie im Grundriss: Aufgrund der beengten Grundstücksverhältnisse fehlt der Kapelle der Chor.
 
Bramante überwand diesen Mangel, in dem er ein flaches Relief entwickelte, auf dem sich eine perspektivische Darstellung des Chorraums befindet, die von vorne betrachtet täuschend echt wirkt und erst von der Seite ihre geringe Tiefe offenbart. Gerade in diesem Wechselspiel zwischen Schein und Wirklichkeit liegt der besondere Reiz der kleinen Kapelle. Sie steht sinnbildlich für eine Architektur, die sich nicht auf das Prinzip einer konstruktiven Ehrlichkeit beruft, sondern bewusst die Kunst der Täuschung einsetzt, um einen äußeren Zwang zu überwinden und trotzdem eine besondere räumliche Qualität zu erzeugen.
 
In der Bau- und Kunstgeschichte gibt es eine Vielzahl solcher Beispiele, die auf ähnliche Weise mit unserer Wahrnehmung spielen und uns einerseits faszinieren, aber immer auch den Beigeschmack des falschen Scheins haben.
 
Mit dieser Ambivalenz wollen wir uns im Semester beschäftigen und untersuchen, ob in Zeiten einer fortwährenden Ökonomisierung der Architektur die Kunst der Täuschung ein probates Mittel des architektonischen Gestaltens sein kann. Nach der Auseinandersetzung mit verschiedenen historischen Beispielen sollen eigene Methoden der Täuschung erprobt und hieraus Projekte entwickelt werden.
 
Zu Beginn des Semesters werden wir uns auf eine Exkursion nach Italien begeben und einige bedeutende Täuschungen studieren.
 
Endabgabe: voraus. 06.02.2020
 
Hinweis: 8 Studierende werden gelost und wählen jeweils einen nicht gelosten Partner.
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